„Refugium für Schriftsteller, ruhige Zimmer, lang oder kurzfristig zu mieten. Gemeinsames Dinner, kein Gesellschaftszwang.“
Ich lese die Zeilen der Annonce ein weiteres Mal. Das ist die Gelegenheit. Endlich raus hier. Keiner der anruft, der plötzlich vor der Tür steht und mir sein Herz ausschütten will. Kein Chef, der Doppelschichten fordert, weil wir uns mit dem Geschäft identifizieren müssen. Ich zögere. Das Geld das mir mein Bruder Frances hinterlassen hat, ist meine einzige Sicherheit. Andererseits, wenn nicht jetzt, wann dann? Ich will endlich meinen Roman schreiben, ohne mich um den ganzen Alltagskram zu kümmern.
No risk, no fun, höre ich meinen Bruder sagen. Das war sein Motto. Nur wer etwas riskiert, muss sich am Ende nicht die Frage stellen, was wäre gewesen wenn … . So lebte er und so starb er, viel zu früh und ließ mich mutterseelenallein zurück.
Ich nehme den Telefonhörer ab und wähle die Nummer unter der Annonce. Frances wäre stolz auf mich. Er glaubte an mein Talent und ich will ihn nicht enttäuschen.
„Hallo, Pension Morgan, mein Name ist Sandy, was kann ich für sie tun?“, fragt eine angenehme Frauenstimme.
„Guten Tag“, mein Herz schlägt eine Spur schneller, „mein Name ist Lea Wynter. Haben sie die Anzeige in der „Post“ aufgegeben? Refugium für Schriftsteller.“
„Ja, da sind sie hier richtig.“
„Ich würde gerne eins ihrer Zimmer mieten und wollte mich nach den Preisen erkundigen.“
Die nette Dame am anderen Ende nennt mir verschiedene Preiskategorien. Bei der günstigsten Variante würde mein Geld für acht Monate reichen. Ich könnte ein halbes Jahr schreiben und die letzten zwei Monate dazu nutzen mir einen neuen Job zu suchen, falls es nicht klappt.
„Danke für die Information. Ich entscheide mich für Kategorie D. Hätten sie etwas frei?“
„Sie haben Glück. Ende der Woche wird ein Zimmer frei. Also … .“
Ich unterbreche Sandy aufgeregt.
„Ich nehme es. Das Zimmer. Kann ich am Montag anreisen?“
Sie hat ein angenehmes Lachen.
„Natürlich. Aber sie müssen nichts überstürzen.“
„Oh, das tue ich nicht“, sage ich, „ich nutze nur die Chance.“
„Das freut mich für sie, Miss Wynter. Würden sie mir ihre E-Mail-Adresse und ihre Telefonnummer durchgeben? Dann schicke ich ihnen die Unterlagen gleich zu.“
„Super.“
Ich gebe Sandy die gewünschten Informationen und verabschiede mich.
Jetzt werde ich einige weniger angenehme Telefonate und Gespräche führen müssen – aber wenn sich eine Tür von alleine öffnet, soll man hindurchgehen. Das mit dem Eintreten klappt nicht immer.
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