„Ausgesetzt auf den Bergen meines Herzens.“ R.M. Rilke (Das stand auf einem Bild in der Galerie Trinkkuranlage. Das Thema war „Umgang mit dem Material“.)
Ausgesetzt auf den Bergen meines Herzens? Wie bin ich dahin gekommen? Das wüsste ich gerne. Ich kann es nicht herausfinden, obwohl ich mir nun schon seit ein paar Stunden den Kopf zerbreche. Immerzu sage ich den Satz als Mantra vor mir her und komme zu keinem Ergebnis. Einzig, dass es vor langer Zeit angefangen hat.
Sie sagte: „Glück ist nicht, was du empfindest, wenn du alles hast, was du willst. Glück ist, wenn du zufrieden bist, mit dem was du hast.“ Wohl war. Aber wie erreicht man das? Glück ist flüchtig, lässt sich nicht festhalten, nicht beschwören, liegt im Augenblick.
Worin liegt Zufriedensein und reicht das? Ich glaube es hat noch nie gereicht. Mir nicht. Menschen wollten schon immer mehr. Mehr Glück, wenn sie auch dafür Zufriedensein aufgeben müssten. Wir wollen Leidenschaft, die unser ganzes Sein beherrscht.
Ich weiß, dass Leidenschaft, Leiden schafft. Aber wenn schon Himmel, dann einer der lichterloh brennt und kein grau in grau. Wenn Anne Elliot (Jane Austen) in ihr Tagebuch schreibt: noch nie waren sich zwei Herzen so nah, dann mag das durchaus seine Berechtigung haben. Aber unter uns: Schaut euch doch Frederick Wentworth an! Oder John Thornton (Elisabeth Gaskell). Wenn sein dunkler begehrlicher Blick auf Margret Hale fällt. Mama mia, wenn der Mann das enge Halstuch und die Konventionen im Schlafzimmer ablegt, dann geht mit Sicherheit die Post ab. Mir fällt noch Edward Rochester ein (Charlotte Bronte). Ein Mann mit wirklich dunklen Leidenschaften und er gibt zu, dass er nichts ausgelassen hat. Männer wie Felsen, in denen ein Feuer brennt, mit dem man ganze Städte anzünden könnte.
Welche Frau würde dazu schon Nein sagen? Die wenigsten, denke ich. Und damit meine ich keineswegs nur ihre schönen seelenvollen Augen oder die markanten Gesichter. Dafür haben wir Frauen wohl ein extra Gen. Das Schmachtgen. Die Schriftstellerinnen damals konnten nicht offen darüber schreiben. Über alles was diesen Teil der menschlichen Beziehung anging, wurde ein Vorhang gezogen. Hundert Jahre tauchten Frauen wie Anais Nin und Benoit Groult auf, die endlich offen über ihre Leidenschaften schrieben. Etwas, das Männer schon Jahrhunderte hindurch offen auslebten und zu Papier brachten. Denken wir an Marquis de Sade, der sicher das extremste Beispiel ist. Sie schrieben über Frauen.
Ich bin froh auch über Männer schreiben zu können und nicht nur über die guten Charaktereigenschaften und das anziehende Äußere. Sondern das, was mir Spaß macht. Kein Heiligenschein. Mann pur.
Manchmal habe ich das Gefühl jemand hat mein Herz ausgesetzt in der Einöde, der wasserlosen Wüste. Es verdorrt. Ab und zu fällt mal ein Tropfen Regen darauf. Dann macht es einen Schlag, bis zum nächsten Mal und erstickt an seiner Sehnsucht.
Meine Lust frisst mich auf. Die Gier nach prickelnder Leidenschaft. Sekt statt Selters. Ich will schlaflose durchliebte Nächte. Einen festen starken Körper, der mich hält, mich auseinanderreißt und neu zusammensetzt.
Und in diesem Moment, in dem ich mein Inneres nach außen kehre, kommt mein Gewissen um die Ecke. Es hält mir sofort den ausgestreckten, drohenden Zeigefinger hin. „Darfst du das schreiben?“
Schreiben vielleicht schon, oder besser nur denken? Ach, verdammt! Warum denke ich darüber nach was die anderen denken? Was denke ich? Was will ich?
Ich bin und bleibe wohl das schwarze Schaf. Manchmal argwöhne ich, dass dies eine Ausrede ist. Andererseits lebt es sich ungeniert, wenn der Ruf erst ruiniert ist. Tja, die Gedanken sind da. Was soll ich tun? Er ist in meinem Kopf, quält mich. Stunde um Stunde. Ich kann nicht mehr klar denken, nur noch an Lust und Begehren. Als hätte jemand alle anderen Gedanken überschrieben und nur die zurückgelassen, die sich um Leidenschaft drehen.
Ich weiß nicht, ob ich mich schäme. Lust ist natürlich. Es gehört zu unserem Leben. Im Tantra ist dies eine der wichtigsten Lebensenergien. Könnten wir das nicht in unsere westlichen hektischen Leben integrieren? Ein bisschen mehr Tantra und viel weniger Stress.
Bis jetzt habe ich alles nur gedacht. Und wie immer wird es wohl dabei bleiben und ich werde meine unausgefüllten Sehnsüchte und Leidenschaften in meine Geschichten stecken müssen. Die Fragen, die sich zurecht stellen sind: was ist mit mir, der realen Person? Was ist mit meiner Seele, meinem Körper, meiner Lust? Die Antworten werde ich schuldig bleiben müssen.
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