„Sommer“ von Ilse Kleberger
Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich für das folgende Gedicht entschieden habe. Es gibt so viele wunderbare Zitate, Gedanken, Sätze, Absätze, Gedichte oder einzelne Worte, die mich bewegen und nachdenklich machen. Auf das Gedicht „Sommer“ von Ilse Kleberger bin ich in einem Deutschbuch meiner Kinder gestoßen. Das muss so etwa 20 Jahre her sein:
Sommer
Weißt du, wie der Sommer riecht?
Nach Birnen und nach Nelken,
nach Äpfeln und Vergissmeinnicht,
die in der Sonne welken,
nach heißem Sand und kühlem See
und nassen Badehosen,
nach Wasserball und Sonnenkrem’,
nach Straßenstaub und Rosen.
Weißt du, wie der Sommer schmeckt?
Nach gelben Aprikosen
und Walderdbeeren, halb versteckt
zwischen Gras und Moosen.
Nach Himbeereis, Vanilleeis
und Eis aus Schokolade,
nach Sauerklee vom Wiesenrand
und Brauselimonade.
Weißt du, wie der Sommer klingt?
Nach einer Flötenweise,
die durch die Mittagsstille dringt,
ein Vogel zwitschert leise,
dumpf fällt ein Apfel in das Gras,
ein Wind rauscht in den Bäumen.
Ein Kind lacht hell,
dann schweigt es schnell
und möchte lieber träumen.
Ilse Kleberger
Das Gedicht ist für mich die Verkörperung eines perfekten Sommertages. Es lässt den Duft meiner Kindertage auferstehen. Ferien auf dem Dorf, Erdbeeren naschen, ins Freibad gehen mit Freunden, Wassereis in allen Regenbogenfarben, zu den Waldteichen spazieren gehen und durch die Tannenschonung kriechen.
Es ist unbeschwert und leicht, so wie mir mein Leben als Kind erschien. Vielleicht ist es auch nur Nostalgie. Ein Foto meiner Vergangenheit in Sepia getaucht. Alles Schlimme verschwindet hinter der Sehnsucht nach zu Hause.
Wenn ich das Gedicht lese, erscheint es mir, wie manche Lieder oder Bilder, die mein Leben begleiten, von denen ich nicht weiß, wann sie sich in mein Leben schlichen und plötzlich dazugehörten. Im Grunde gehörten sie schon immer dazu, auch wenn ich sie nicht von Anfang an kannte und sie erst Stück für Stück sammelte. Wie Teile eines Puzzles, die sich in den Jahren vermehren und am Ende mein ganzes Leben abbilden.
Es rührt mich tief. Es erzählt von einer Kindheit, die wir alle gerne gehabt hätten oder die wir unseren Kindern wünschen. Heil und ganz, fern aller Sorgen und Schrecken. An nichts denken, in den Tag hinein leben und mit dem Leben dahin schwimmen. Keine Termine, die uns drängen. Einfach dem Rhythmus der Tage folgen und in einer Hängematte unter schattigen Bäumen träumen.
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